Bereiten Sie Ihre Weihnachts-Grüße vor, solange es noch
geht!
Die Gelegenheit, zu sagen, worum es eigentlich geht
Schauen sie hier!
Die islamische Weltsicht bietet
daher eine alle Regungen des Menschen erfassende Daseinsordnung.
Wem ist wohl damit gedient, wenn
man vor diesen Tatsachen die Augen verschließt und dekretiert: „Der Islam
gehört zu Deutschland“?
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Islam in Deutschland?
Ein Versuch, das ureigenste Grundmuster einer Religion zu verstehen
Tilman Nagel
Das Christentum ist eine Bekenntnisreligion. Man wird nicht als Christ
geboren, man wird vielmehr durch das Sakrament der Taufe in die
Gemeinschaft der Glaubenden aufgenommen. Dieser Akt soll später durch die
Erstkommunion sowie durch die Firmung oder Konfirmation bekräftigt werden,
denen Unterweisungen in den Glaubenslehren vorangehen. Anders der
Muslim! Allah hat dem Satan gestattet, die Menschen zum Ungehorsam zu
verführen. So geraten viele in einen Widerspruch zu der Daseinsordnung des
Islams, die Allah vorsieht für das Diesseits, das er fortlaufend schafft.
Denn Allah überlässt das Diesseits nicht einen Augenblick lang sich
selbst; alles, was existiert und was in jedem Augenblick geschieht, wird
unmittelbar durch ihn geschaffen. Tut der Mensch einen Schritt, dann nicht
dank seiner eigenen körperlichen Beschaffenheit, seiner eigenen Kraft und
seinem eigenen Entschluss, sondern allein deshalb, weil Allah in
ebendiesem Augenblick in ihm alle Voraussetzungen für diesen Schritt
schafft; nur dem äußeren Anschein nach ist der Mensch der Akteur. Die
göttliche Daseinsordnung ist zugeschnitten auf dieses ununterbrochene
Schöpfungshandeln. Sie setzt voraus, dass Allah unentwegt tätig ist1
– anders als der Schöpfer des Alten Testaments, der nach dem
Sechstagewerk am siebten Tag ausruhte und dadurch der Welt ein gewisses
Maß an Eigenständigkeit gewährte. Die zweigliedrige Formel „Es gibt
keinen Gott außer Allah. Mohammed ist der Gesandte Allahs“ wird meist
unzutreffend als das muslimische Glaubensbekenntnis bezeichnet. Ihr wird
jedoch stets „Ich bezeuge, dass …“ vorangestellt. Der Muslim bezeugt darin
den Sachverhalt, der seine Weltsicht und sein Bild von dem Schöpfer prägt.
Zudem bezeugt er damit, welcher Platz dem Menschen zukommt in einem
Diesseits, das fortlaufend durch Allah geschaffen wird: Außer Allah gibt
es keine selbstständig und unabhängig wirkende Macht; alles, was im
Diesseits ins Dasein gebracht wird, ist in jedem Augenblick unmittelbar
von Allah abhängig und wird in allen Regungen durch ihn genau so und nicht
anders festgelegt. Da das ganze Diesseits mit all seinen Gegenständen und
Lebewesen in jedem Augenblick unmittelbar auf Allah bezogen ist, muss es
als die beste aller Welten aufgefasst werden, so lehrte es der Theologe
al-Gazali (gest. 1111). Der erste Satz der zweigliedrigen Formel weist
somit auf die unendliche Kluft zwischen dem gänzlich unabhängigen Allah
und dem Diesseits hin, das vollkommen abhängig ist von Allahs
unergründlichem Bestimmen und Schöpfungshandeln. In der islamischen
Theologie ist dieser Abstand oft die unumgängliche, wesensbedingte
Konsequenz des unüberwindlichen Unterschiedes zwischen dem, dem allein
Verehrung und Anbetung gebühren, und der Kreatur, die unverwandt Allah zu
verehren und anzubeten hat.
Dieser
Unterschied und seine Folgen für den Menschen (der als einziges Geschöpf
mit Verstand begnadet ist) kommen in dem Begriff „Islam“ zum Ausdruck:
Niemand kann eine trefflichere Daseinsordnung haben als derjenige, der
„das Gesicht“ – eine Metapher für die Person – „ganz Allah preisgibt“,
heißt es beispielsweise in Sure 4, Vers 125; „preisgeben“ ist eine verbale
Form von „Islam“. Der Mensch, der sein völliges Angewiesensein auf Allah
erkennt – der rechtgläubige Muslim –, wendet in Verehrung und Anbetung das
Selbst ganz auf Allah. Denn er weiß, dass es außer diesem keine
eigenständige Kraft gibt; und indem er dies bezeugt, unterdrückt er jede
Vorstellung von selbstständigen Kräften neben Allah, jede „Beigesellung“,
wie der Muslim sagt. „Beigesellung“ ist die schlimmste Verfehlung, die der
Mensch begehen kann.
Woher weiß nun der Mensch, dass er einzig den
einen Allah zu verehren hat, den in ununterbrochenem Schöpfungshandeln
Begriffenen? Hier kommt Mohammed ins Spiel. Ihm allein, dem durch Allah
auserwählten Gesandten, verdankt es der Muslim auch, dass er weiß, wie er
dies zu tun hat. Zudem weiß er, dass sein Dasein vollkommen durch Allah
bestimmt wird – wie auch die Welt, in der alles nach Allahs Willen
abläuft –; deshalb gibt es für ihn (anders als für den Christen) keine
Grenze zwischen profanem Alltag und sakralen Handlungen.
Die
islamische Weltsicht bietet daher eine alle Regungen des Menschen
erfassende Daseinsordnung. Deren Einzelheiten können im Koran nachgelesen
und daraus abgeleitet werden, also aus der unmittelbaren Rede Allahs,
sowie aus dem Hadith, den Überlieferungen vom göttlich inspirierten Reden
und Handeln Mohammeds. Das Resultat ist die Scharia – der nach islamischer
Vorstellung immer und ausnahmslos alles zu unterwerfen ist: die Herrschaft
und das Gemeinwesen, die Gesellschaft sowie das Denken, Reden und Tun des
Einzelnen. Schließlich unterliegt das gesamte Diesseits sowieso dem
fortwährenden Bestimmen und Schaffen Allahs. Der Geltungsbereich der
Scharia wird entsprechend als unbegrenzt aufgefasst. Es gibt Schriften,
die dem Muslim erläutern, wie er auch die banalsten Verrichtungen
Scharia-gerecht auszuführen und zu gestalten habe als Ausdruck einer
ununterbrochenen Verehrung und Anbetung Allahs. Das Fetwa-Wesen
unterstützt ihn bei diesen Bemühungen. So verwirklicht sich, was der Koran
den Muslimen zuspricht: „Ihr seid die beste Gemeinschaft, die für die
Menschen gestiftet wurde“2.
Diese „beste Gemeinschaft“
verdankt ihre Herausbildung und ihren Fortbestand den ulama, den
Schariagelehrten. Sie vermitteln den Muslimen die auf Koran und Hadith
aufbauende Weltdeutung und Daseinsordnung. Die Einzelheiten, so der
Anspruch, werden durch Verstandesschlüsse aus Koran- und Hadith-Aussagen
hergeleitet. Die Autorität beider Quellen gilt ebenfalls als durch
Verstandesschluss gesichert: Da ihr Inhalt auf Allah zurückgehe, müsse er
wahr sein, auch wenn der schwache Verstand des Menschen manche ihrer
Aussagen nicht begreife. Dem Muslim, der diese Vorgaben billigt, erscheint
der Islam als der Verstandesglaube schlechthin.
Seit Ende des 18.
Jahrhunderts konnte in der islamischen Welt jedoch nicht mehr geleugnet
werden, dass die europäische Zivilisation der eigenen überlegen war. Wie
konnte die Deutungshoheit der ulama, wie konnte der Islam selbst bestehen
angesichts einer Kultur, für die Welt und Gott klar getrennt sind? Die
Möglichkeit einer islamischen Aufklärung, einer Säkularisierung bestand
und besteht nicht. Denn wie eingangs dargelegt gehört es zu den Grundlagen
des Islams, dass Allah niemals ruht, und das „Reich Gottes“, das die
christliche Tradition erst am Ende der Zeit erwarte, existiere bereits: Es
ist das fortwährend durch Allah geschaffen werdende Diesseits. Einen vom
Menschen in eigener Verantwortlichkeit zu gestaltenden Daseinsbereich gibt
es nicht.
Gleichwohl gab es Versuche, diesen zu postulieren oder
wenigstens die Naturwissenschaften abzulösen von der koranischen Grundlage
und trotzdem an der zweigliedrigen Bezeugungsformel festzuhalten. Sie
vermochten jedoch nicht zu überzeugen, zu eklatant waren die
Unstimmigkeiten. Unabhängig von der europäischen Herausforderung gab es im
19. Jahrhundert Reformbestrebungen, die die Kernbotschaft des Korans von
allen Trübungen befreien sollten. „Es gibt keinen Gott außer Allah“ –
insbesondere dieser Satz sollte nicht mehr beeinträchtigt werden durch die
„Beigesellungen“, die in der „besten Gemeinschaft“ um sich gegriffen
hätten. Als Beispiele für eine solche sündhafte „Beigesellung“ galten die
komplizierten Verfahren, wie die Scharianormen hergeleitet wurden. Allein
die ulama konnten das, was ihnen den Status von Glaubensautoritäten
verlieh. Man müsse sich wieder streng an den Koran und den Hadith halten,
so die Forderung der Reformbestrebungen.
In
der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts begann die intellektuelle
Auseinandersetzung mit Europa, und nun wurden diese Reformideen wieder
aktuell. Der Ägypter Muhammad Abduh (1849–1905) verarbeitete sie zu einem
Gedankengebäude, das bis heute die politisch-religiösen Machtansprüche des
Islams prägt. Der Islam sei die Daseinsordnung des Verstandes und nur der
Verstand mache nach Allahs Willen den Menschen zum Menschen; also sei der
Islam die Religion, die für die gereifte Menschheit bestimmt sei. Andere
Religionen wie das Christentum passten lediglich zu vorausgehenden
Entwicklungsstadien. Warum aber scheint es in der Moderne doch anders zu
sein? Der Islam, so Muhammad Abduh, habe über Jahrhunderte wie ein Arzt
gehandelt, der die Leiden seiner Patienten, z. B. des Christentums,
behandelt und sich dabei angesteckt habe. Er habe den Christen im
Mittelalter die rationale Naturforschung vermittelt, sei aber mit dem
Bazillus der „Beigesellung“ infiziert worden: Er habe Menschen als Mittler
zwischen Mensch und Allah akzeptiert.
Muhammad Abduh, ägyptischer Religions- und
Rechtsgelehrter,
1899 bis 1905 Großmufti von Ägypten
Ein von solchen Beimengungen befreiter,
reformierter Islam ist für Muhammad Abduh nicht nur die Grundlage für
einen Wiederaufstieg der islamischen Welt; er sei die Religion und
Daseinsordnung für die ganze gereifte Menschheit, eine Daseinsordnung, in
der Religionsausübung und Alltagsleben gerade nicht voneinander getrennt
sind. Das bedeute auch, dass der Islam als die künftige
Menschheitsreligion die uneingeschränkte Herrschaft der Scharia etablieren
müsse, die die weltlichen Gesetze einer freiheitlich-demokratischen
Ordnung restlos zu ersetzen habe. Das Christentum verbinde seine
Machtentfaltung nicht institutionell mit der Auslegung und Verkündung der
Heilsbotschaft, das sei einer seiner grundlegenden Mängel.
Muhammad
Abduhs Gedanken wurden stilbildend für die Auseinandersetzungen der
Muslime mit der westlichen Zivilisation, aber auch für die Hoffnungen auf
eine zukunftsfähige Gestaltung islamischer Gesellschaften und Staaten. Bis
heute werden diese Vorstellungen vielfältig variiert; sie liegen
Strömungen des Islams zugrunde, die man als gemäßigt bzw. liberal
charakterisiert, aber auch solchen, die sich den Kampf mit der Waffe auf
die Fahnen geschrieben haben.
Professor Dr. Tilman Nagel, Jahrgang 1942, ist renommierter
Islamwissenschaftler.
Er lehrte am Seminar für Orientalische Sprachen
der Universitäten Bonn und Göttingen.
Veröffentlicht auf
www.DeutscherArbeitgeberVerband.de
1 Sure 2:255; Sure
55:29. 2 Sure
3:110.
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Jeder Mensch wird durch Allah im Mutterleib
gebildet und kommt folglich als Muslim zur Welt. Nur negative Einflüsse
bewirken, dass ein Neugeborenes später zu einem Juden, Christen oder gar
zu einem Atheisten wird.
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